Der Tod ist Himmelblau

Foto: HEILIGER NIL, 2016, 2000 hängende, getrocknete Kolben der Lotosblume, Acryl, Weidegitter, 17,5 x 2,5m

HEILIGER NIL, 2016, 2000 hängende, getrocknete Kolben der Lotosblume, Acryl, Weidegitter, 17,5 x 2,5m

Foto: HEILIGER NIL, 2016, 2000 hängende, getrocknete Kolben der Lotosblume, Acryl, Weidegitter, 17,5 x 2,5m

HEILIGER NIL, 2016, 2000 hängende, getrocknete Kolben der Lotosblume, Acryl, Weidegitter, 17,5 x 2,5m

Foto: HEILIGER NIL, Detail

HEILIGER NIL, Detail

Foto: LEBEN UND TOD, 2016, Mohn, Holz, Acryl, 14 x 40 cm,  ANUBIS, der Wächter der Toten, blickt in die Welt des Lebens

LEBEN UND TOD, 2016, Mohn, Holz, Acryl, 14 x 40 cm, ANUBIS, der Wächter der Toten, blickt in die Welt des Lebens

Foto: HOFFNUNGSTRÄGER, seit 2012, Glas, Öl, Siegellack, Fundstücke, Dokumente, je  Ø 3 x 7,5 cm

HOFFNUNGSTRÄGER, seit 2012, Glas, Öl, Siegellack, Fundstücke, Dokumente, je Ø 3 x 7,5 cm

Foto: HOMMAGE AN GEORG SCHWEINSFURTH, 2016, Glas, Nudeln, Hülsenfrüchte, Acryl

HOMMAGE AN GEORG SCHWEINSFURTH, 2016, Glas, Nudeln, Hülsenfrüchte, Acryl

Foto: GRABKAMMER NEFERTITI, 2016, Leinen, Acryl, Holz, Graphit, pflanzliche Fundstücke, Glas, Metall, 165 x 290 x 185 cm

GRABKAMMER NEFERTITI, 2016, Leinen, Acryl, Holz, Graphit, pflanzliche Fundstücke, Glas, Metall, 165 x 290 x 185 cm

Foto: ANTHALIUM AEGYPTIUM, 2016, Glas, Öl, Siegellack, Acryl, je Ø 6 x 13 cm

ANTHALIUM AEGYPTIUM, 2016, Glas, Öl, Siegellack, Acryl, je Ø 6 x 13 cm

Foto: TT 85 / Grab des Amenemhab, 2016, Mischtechnik auf Holz, 70 x 100 cm

TT 85 / Grab des Amenemhab, 2016, Mischtechnik auf Holz, 70 x 100 cm

Foto: Raumansicht Ägyptisches Museum, Bonn

Raumansicht Ägyptisches Museum, Bonn

Foto: FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS V, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Blätter der Ägyptischen Weide / Tscherta / Luxor, Acryl, 51 x 42 cm

FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS V, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Blätter der Ägyptischen Weide / Tscherta / Luxor, Acryl, 51 x 42 cm

Foto: FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS IV, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Früchte der Dumpalme / Mama / Luxor, Acryl, 51 x 42 cm

FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS IV, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Früchte der Dumpalme / Mama / Luxor, Acryl, 51 x 42 cm

Foto: FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS VII, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Strauchsellerie, Acryl, 51 x 42 cm

FORSCHERKASTEN AEGYPTIUS VII, 2016, Sammlerkasten, Graphit, Strauchsellerie, Acryl, 51 x 42 cm

Foto: CAIRO I-IV, 2016, Glas, Öl, Acryl, Siegellack, Getreide, antiquarische Drucke von Kairo, ø 8 x 18 cm, x ø 11 x 22 cm, Landkarte Ägypten, ø 9 x 22 cm

CAIRO I-IV, 2016, Glas, Öl, Acryl, Siegellack, Getreide, antiquarische Drucke von Kairo, ø 8 x 18 cm, x ø 11 x 22 cm, Landkarte Ägypten, ø 9 x 22 cm

Foto: SKARABÄUS I-IV, 2016, Glas, Öl, Acryl, Siegellack, Skarabäen, Getreide, ø 3 x 20 cm

SKARABÄUS I-IV, 2016, Glas, Öl, Acryl, Siegellack, Skarabäen, Getreide, ø 3 x 20 cm

Foto: QEN, 2016, Sellerieblätter, Acryl, 57 x 40 cm

QEN, 2016, Sellerieblätter, Acryl, 57 x 40 cm

Foto: LOTOS, 2016, Glas, Öl, Siegellack, getrocknete Kolben der Lotosblume, ø 25 x 36 cm

LOTOS, 2016, Glas, Öl, Siegellack, getrocknete Kolben der Lotosblume, ø 25 x 36 cm

Foto: HORTUS AETERNUS, Tischvitrine, Acryl, Dokumente, Fundstücke, 120 x 75 x 47 cm

HORTUS AETERNUS, Tischvitrine, Acryl, Dokumente, Fundstücke, 120 x 75 x 47 cm

Über das Projekt

DER TOD IST HIMMELBLAU
Ägyptisches Museum der Universität Bonn

Intensive mehrjährige Auseinandersetzung mit der Sammlung des Ägyptischen Museums Bonn sowie Forschungsreise mit Ahmed Ghareeb zu den historischen Stätten in Kairo und Luxor 2016 auf der Suche nach dem LEBEN der Ägypter Gestern und Heute. Kooperation mit Prof. Dr. Andreas Dorn, Kurator Ägyptisches Museum, Bonn

Anja Schindler im Ägyptischen Museum Bonn – eine Begegnung

Mit dem Interesse von Anja Schindler, ihre Kunstobjekte und Installationen mit und neben altägyptischen Gegenständen zu zeigen, bot sich 2016 für das Ägyptische Museum Bonn und für mich, als damaligem Kurator erneut die Möglichkeit, mit einer Ausstellung von zeitgenös- sischer Kunst das Konzept eines offenen Museums weiter zu pflegen. Moderne Kunst spricht andere Menschen an als Ägypteninteressierte und so ging es bei der Ausstellung »Der Tod ist himmelblau« von Anja Schindler auch darum, neuen Besuchern das Ägyptische Museum bekannt zu machen.

Die konkrete Zusage an sie, gemeinsam mit ihr ein Ausstellungsprojekt zu realisieren, bedeutete vor allem, nicht einfach das Museum und die Vitrinen aufzuschließen und Objekte beiseite zu rücken, damit »zeitgenössische Kunst« neben »alter Kunst« zu stehen kommen konnte, sondern es ging um viel mehr: um einen gegenseitigen Austausch, um Kommunikation.

Durch eine Ägyptenreise, die Anja Schindler 2016 als Forschungsreise für die Ausstellung gemachte hatte, und durch weitere Vorbereitungen auf dieses Projekt stieg sie mit konkreten Fragen zu Objekten, zur Bedeutung von ihr noch unbekannten Zeichen, zu Bildern und Symbolen des modernen und des Alten Ägypten sowie zu Stücken in der Dauerausstellung des Museums in den Ausstellungsprozess ein.

Das Projekt wurde stark geprägt durch die Suche nach dem Lebendigen anlässlich der Forschungsreise nach Ägypten als Kontrast zur statischen Präsentation ägyptischer Objekte in Museen und zum omnipräsenten Tod, der gerne mit der altägyptischen Kultur assoziert wird. Dank dem ägyptischen Reiseführer Ahmed Ghareeb fand Anja Schindler eine der wenigen Sykomoren, die es heute noch in Luxor gibt – lebendes Gegenstück zu den in Gräbern dargestellten Bäumen. Zudem bot der Markt mit außergewöhnlichen Früchten wie Erdmandeln aktuelle Entsprechungen zu Grabbeigaben und der Kalbskopf in der Marktstraße eine realweltliche, »lebende« Inspiration zu Kalbsköpfen als Opfergaben in den Wandbildern der Gräber gleich nebenan.

Als Ägyptologe fielen mir gewisse Antworten leicht, aber bei anderen Fragen musste ich passen und zuerst selbst recherchieren. Fachbücher wanderten aus meiner Bibliothek ins Atelier der Künstlerin und zurück kamen weitere Fragen, Hinweise auf entdeckte Besonderheiten der altägyptischen Kultur sowie erste Fotos von Installationen für die geplante Ausstellung.

Dialog zwischen Objekten, Kurator und Künstlerin

Beim Anblick von in Arbeit befindlichen Objekten anlässlich eines Atelierbesuchs mehr als ein Jahr vor der Eröffnung und von fertig gestellten Installationen nahm bei mir ein intensiver Prozess seinen Anfang. Ich begann, die hellblauen Objekte genauer zu betrachten, begann, neu sehen zu lernen, stellte mir Fragen, gab Fragen an Anja Schindler weiter und entdeckte dabei immer wieder mir Unbekanntes neben Vertrautem.

So kam zusätzlich zum expliziten Dialog mit Anja Schindler auch ein stiller Dialog mit den hellblauen Objekten zustande. Ich fand mich bei all dem in einem mir wohl vertrauten Prozess wieder, der mein Forschen als Wissenschaftler nicht besser beschreiben könnte. Ich bemerkte, dass es nicht nur die Objekte, die fertigen Kunstwerke und Installationen waren, die diesen Frage- und Analyseprozess auslösten, sondern auch die Art der Heran- gehensweise von Anja Schindler, die dem wissenschaftlichen Arbeiten so nahe ist.

Sie fragt und beantwortet mit ihrer Kunst Fragen; sie präsentiert aber keine Lösungen auf wissenschaftliche Fragen, sondern löst Prozesse aus, lehrt, ohne zu belehren.

Ich realisierte, dass Anja Schindler andere Fragen an die ägyptische Bilderwelt stellt als ich als Wissenschaftler. Ich frage nach der Bedeutung der Symbole und Anja Schindler fragt über den Symbolgehalt hinaus. Wie sah das Land aus? Wie fühlte es sich an, wie lebte es sich dort?

Fragile, verborgene Werte: Emotionen und Symbolgehalt von Blumen

So erstaunte es nicht, dass im Laufe der Ausstellungsvorbereitung neben Skarabäen, Schutzsymbolen oder Amuletten immer mehr scheinbar Alltägliches wie Blumen und Pflanzen in den Mittelpunkt rückte.

Anja Schindler entdeckte in Büchern unter anderem Bilder der vertrockneten Blumengirlanden, die auf den goldenen Särgen Tutanchamuns lagen. Es war gerade nicht das Gold und die Goldmaske, das Offensichtliche, das bleibend Typische der altägyptischen Kultur, was Anja Schindler anzog, sondern das Vergängliche, ehemals Belebte und das Sinnliche, das die Sinne Anregende. Und genau diesen Effekt übten die vergänglichen Blumengirlanden schon 1922, also vor ungefähr hundert Jahren bei der Entdeckung des Grabes Tutanchamuns auf Howard Carter aus, welcher in einem Zitat, das neben all dem Aufsehen um die Grab- schätze Tutanchamuns leicht überlesen, übersehen und vergessen werden kann, greifbar wird:

“Among all that regal splendour, that royal magnificence – everywhere the glint of gold – there was nothing so beautiful as those few withered flowers, still retaining their tinge of colour. They told us what a short period three thousand three hundred years really was – but Yesterday and the Morrow. In fact, that little touch of nature made that ancient and our modern civilisation kin.” (H. Carter, The Tomb of Tut-Ankh-Amen discovered by the Late Earl of Carnarvon and Howard Carter, London 1927, 53).

Mit dem Entdecken und der Auseinandersetzung mit Blumen und mit dem Vergänglichen, die in der Ausstellung der »Der Tod ist himmelblau« vielerorts teils prominent, teils subtil Einzug fanden, stellt Anja Schindler eine für viele nicht sichtbare und doch sehr deutliche Ver- bindung zu Howard Carter und anderen frühen Forschern wie Georg Schweinfurth her, indem sie den Blick auf persönliche Emotionen und auf ein Forschungsgebiet wie die Botanik lenkt, die bis in jüngste Zeit mit dem Aufkommen naturwissenschaftlicher Analysen lange nur ein Randdasein fristete.

Die wenigen heute noch vorhandenen Blumen und Blumengirlanden aus dem Alten Ägypten sind etwas Besonderes, obwohl sie, verglichen mit all den spektakulären Objekten, eher unscheinbar daherkommen. Sie stellen einen kleinen Rest der Blumenpracht dar, die im Alten Ägypten einen viel größeren Platz einnahm, als uns dies bewusst ist. Ein Beispiel illustriert dies besonders anschaulich: Nachdem die Königsgräber im Tal der Könige beraubt wurden, sorgten sich Priester um die erneute Bestattung der Könige. Dabei waren frische, aufwändige Blumenkränze das Einzige, was die Könige als neue Grabbeigaben erhielten. Durch ihre Installationen lässt Anja Schindler diese leicht zu übersehende, jedoch bedeutende Blumenwelt des Alten Ägypten aufleben, die sich vielerorts beobachten lässt:

  • Stabsträuße werden dargereicht;
  • in künstlich angelegten Teichen schwimmen Seerosen;
  • Lotos und Papyrus repräsentieren als Wappenpflanzen Ober- und Unterägypten und sind auf Statuen und in Tempeln allgegenwärtig;
  • in Grabbildern mit dies- und jenseitigen Landschaftsdarstellungen finden sich Pflanzen, Blumen und Bäume wie zum Beispiel bei der Vogeljagd in den Marschen des Deltas oder beim Pflügen des jenseitigen Jaru-Gefildes durch den Grabherrn;
  • in der göttlichen Sphäre ist es die Baumgöttin, die dem Verstorbenen Wasser spendet
  • für den König schreibt der Gott Thot bei der Krönung seine verschiedenen Namen auf Blätter des Isched-Baumes.

Auf ewig konserviert

Ein zentrales Element der Arbeiten von Anja Schindler ist das Einlegen und Konservieren von anorganischen und organischen Materialien. So kombiniert sie lebendes und totes Material und schafft dabei neue Blickwinkel. Eine Vitrinenbeschriftung im Museum, zum Beispiel, klärt uns darüber auf, dass auf mehreren der zahlreichen Gefäße in einer schwer lesbaren Schrift aus der Zeit um 2000 v. Chr. der ursprüngliche Inhalt »Erdmandeln« notiert steht. Diese Gefäße mit der ursprünglichen Erdmandelfüllung stellten Grabbeigaben dar, die dem Verstorbenen zu seiner Versorgung im Jenseits ins Grab mitgegeben wurden. Was eine Erdmandel ist, wofür sie verwendet wurde, wie sie aussieht, wo sie vorkommt oder wie sie schmeckt, darüber gibt der Vitrinentext keine Antwort. Anja Schindler stellt diesen Gefäßen echte eingelegte Erdmandeln gegenüber, die sie in Ägypten auf dem Markt gefunden hat. Die kleinen runden Flaschen mit ebenfalls für die Ewigkeit konservierten Erdmandeln schlagen vom altägyptischen, in einer Vitrine präsentierten Tongefäß eine Brücke zurück zu ihrer ursprünglichen Verwendung als Beigaben einer Bestattung in einer unterirdischen Grabkammer.

In einer anderen Vitrine befindet sich eine ägyptische Stele, welche den verstorbenen Grabherrn in einer speziell verklärten Form, als sogenannter »Ach iqer en Ra« zeigt, wie er sich eine Lotosblüte vor das Gesicht hält. Daneben steht eine große Ballonflasche mit in Öl eingelegten, getrockneten Lotosblüten. Durch diese Gegenüberstellung bekommt der Lotos plötzlich eine reale, haptische Dimension, die dem Betrachter auch das Relief, die eingeritzte und ursprünglich bemalte Darstellung auf der Stele näher bringt. In anderen Vitrinen findet man reale, getrocknete Skarabäus-Käfer neben heiligen ägyptischen Amuletten. Regelmäßig wird der Blick des Betrachters irritiert, herausgefordert, sich neuen Sichtweisen zu stellen und durch diese Brechungen der Sehgewohnheiten immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Hinein ins Farbenspiel des bewegten Lebens

Unten im Eingang zum Ägyptischen Museum beginnt eine Reise, sie führt unter dem hellblauen Nil aus getrockneten Kolben der Lotosblume hindurch in einen musealen Kunstraum, in welchem es uns Anja Schindler ermöglicht, an ein himmelblaues Jenseits Fragen zu stellen und zu versuchen herauszufinden, wieso der Tod himmelblau statt schwarz sein könnte.

Prof. Dr. Andreas Dorn, Uppsala/ Schweden

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