Naturalia Artistica

Foto: Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Foto: Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Foto: BLICKWINKEL, 2019, Installation, 200 x 100 x 40 cm

BLICKWINKEL, 2019, Installation, 200 x 100 x 40 cm

Foto: BLICKWINKEL, Detail

BLICKWINKEL, Detail

Foto: BLICKWINKEL, Detail

BLICKWINKEL, Detail

Foto: Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Foto: CIPOLLA II, 2012, Glas, Öl, pflanzliche Fundstücke,Siegellack, Acryl, 22 x Ø 31 cm

CIPOLLA II, 2012, Glas, Öl, pflanzliche Fundstücke,Siegellack, Acryl, 22 x Ø 31 cm

Foto: CIPOLLA VI, 2012, Glas, Öl, pflanzliche Fundstücke, Siegellack, Acryl, 22 x Ø 31 cm

CIPOLLA VI, 2012, Glas, Öl, pflanzliche Fundstücke, Siegellack, Acryl, 22 x Ø 31 cm

Foto: Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Raumansicht Kabinett, Übersee-Museum

Foto: HOFFNUNGSTRÄGER, seit 2012,Holz, Glas, Fundstücke, Öl, Siegellack, Acryl, 120 x 50 x 15 cm

HOFFNUNGSTRÄGER, seit 2012,Holz, Glas, Fundstücke, Öl, Siegellack, Acryl, 120 x 50 x 15 cm

Foto: RIGOGLIOSO, 2019, Druckerschrank, Salz, pflanzliche Fundstücke

RIGOGLIOSO, 2019, Druckerschrank, Salz, pflanzliche Fundstücke

Foto: MUTTERERDE, 2017, Holzschrank, pflanzliche Fundstücke, Salz, Glas

MUTTERERDE, 2017, Holzschrank, pflanzliche Fundstücke, Salz, Glas

Foto: Eingangsbereich Übersee-Museum, 2019, ROSPO, 3 D Druck, Acryl

Eingangsbereich Übersee-Museum, 2019, ROSPO, 3 D Druck, Acryl

Foto: Installationsansicht Schaumagazin Übermaxx

Installationsansicht Schaumagazin Übermaxx

Foto: Installationsansicht Schaumagazin Übermaxx

Installationsansicht Schaumagazin Übermaxx

Foto: IRIS, 2019, Glas, pflanzliches Fundstück, Öl, Siegellack, Acryl

IRIS, 2019, Glas, pflanzliches Fundstück, Öl, Siegellack, Acryl

Foto: CASTANEA SATIVA, 2019, Glas, Esskastanie, Öl, Siegellack, Acryl

CASTANEA SATIVA, 2019, Glas, Esskastanie, Öl, Siegellack, Acryl

Foto: PTEROIS ANTENNATA, 2019, Glas, Tuschzeichnung auf altem Dokument

PTEROIS ANTENNATA, 2019, Glas, Tuschzeichnung auf altem Dokument

Foto: BERTHOLD, 2019, Käferpräparat, Acryl

BERTHOLD, 2019, Käferpräparat, Acryl

Foto: OSKAR, 2019, Käferpräparat, Acryl

OSKAR, 2019, Käferpräparat, Acryl

Foto: GEHYRA OCEANICA, 2019, Glas, antiquarisches Dokument, Tusche, Öl

GEHYRA OCEANICA, 2019, Glas, antiquarisches Dokument, Tusche, Öl

Foto: FIG. 1192 / TESTUDO, 2010, Mischtechnik auf Leinwand, 30 x 30 cm

FIG. 1192 / TESTUDO, 2010, Mischtechnik auf Leinwand, 30 x 30 cm

Foto: GRABKAMMER FÜR THEODOR, 2019, Sammlerkasten, Tierpräparate, Totenmaske Sterlingsilber mit Goldplattierung und Lapislazuli, Mohnkapseln, Samen, Salz, Acryl, 48 x 40 x 6 cm

GRABKAMMER FÜR THEODOR, 2019, Sammlerkasten, Tierpräparate, Totenmaske Sterlingsilber mit Goldplattierung und Lapislazuli, Mohnkapseln, Samen, Salz, Acryl, 48 x 40 x 6 cm

Foto: GRABKAMMER FÜR THEODOR, 2019, Sammlerkasten, Tierpräparate, Totenmaske Sterlingsilber mit Goldplattierung und Lapislazuli, Mohnkapseln, Samen, Salz, Acryl, 48 x 40 x 6 cm

GRABKAMMER FÜR THEODOR, 2019, Sammlerkasten, Tierpräparate, Totenmaske Sterlingsilber mit Goldplattierung und Lapislazuli, Mohnkapseln, Samen, Salz, Acryl, 48 x 40 x 6 cm

Über das Projekt

NATURALIA ARTISTICA
Übersee-Museum Bremen Ausstellung im Kabinett-Übersee und im Schaumagazin

Von April 2018 bis Juni 2019 verbrachte die Künstlerin Anja Schindler mehrere Wochen im Übersee-Museum. Sie ließ sich inspirieren, fotografierte und zeichnete in den Sammlungen und im Schaumagazin Übermaxx. Zusammenarbeit mit Dr. Volker Lohrmann, Sachgebietsleiter Entomologie.

Naturkundliche Sammlungen Sammeln – im Museum und in der Kunst

Natur inspiriert! Denken wir nur an den von einer Pflanze inspirierten Klettverschluss oder an die schier unendliche Anzahl an Fabel- und Phantasiewesen in der Literatur und in Filmen wie Ridley Scotts Alien. Auch Ernst Haeckels Kunstformen der Natur, die den Jugendstil mitbeeinflussten, sind Beispiele dafür, wie unser tägliches Leben durch die biologische Vielfalt nicht nur beeinflusst wird, sondern vielmehr noch von ihr durchdrungen ist.

Dennoch leben wir in einer Gesellschaft, die sich zunehmend von der Natur entfremdet. Durch das Eintauchen in fiktive digitale Welten wird die Science Fiction als gesetzt betrachtet. Hingegen ist sie größtenteils lediglich scheinbare Fiktion, deren Ursprung bzw. Vorbild bei der genaueren Betrachtung in der Natur liegt. Bei Magazinführungen bekomme ich als Kurator und Leiter des Sachgebiets Entomologie im Überseemuseum Bremen regelmäßig die Frage gestellt, ob die Organismen in den Kästen und anderen Magazinen wirklich echt seien. Dabei sind sie nicht nur echt, sondern dienten zudem oftmals auch als Vorbilder oder Inspiration für Phantasiewesen wie den Lindwurm aus den Nibelungen oder Joanne K. Rowlings Niffler. Wäre uns diese Tatsache bewusster, dann würden wir möglicherweise die Natur und ihre biologische Vielfalt viel mehr zu schätzen wissen, was im Hinblick auf das derzeitige Artensterben nötiger denn je erscheint.

Uns der Einzigartigkeit und Bedeutung der unvergleichlichen Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt zu erinnern, ist eine der zentralen Aufgaben der Naturkundemuseen, die mit ihren Ausstellungen einen bedeutenden Vermittlungsauftrag erfüllen. Denn das »Fass das nicht an, das ist dreckig!« ist zu einem zentralen Erziehungsprinzip geworden. So ist das Museum mitunter die einzige Gelegenheit, dass ein Kind die Tier- und Pflanzenwelt in einer entschleunigten Umgebung betrachten kann, ohne sich dabei die Hose schmutzig zu machen, ohne sich beim Klettern über einen Stacheldrahtzaun ein Loch in den Pullover zu reißen und ohne mit verklebten Hosentaschen, in denen das Kind Nacktschnecken gesammelt hat, nach Hause zu kommen.

Diese Entfremdung von der Natur hat dazu geführt, dass immer weniger Kinder oder auch Erwachsene in der Lage sind, die häufigsten Schmetterlingsarten, wie das Pfauenauge oder den Admiral, bzw. zehn unterschiedliche Singvögel zu benennen. Nur so ist zu erklären, dass lediglich wenige bislang den Artenschwund in ihrem eigenen Lebensumfeld wirklich bemerkt haben. Es fehlt nicht nur die Kenntnis über die Arten, sondern darüber hinaus auch die Zeit, diese Beobachtung überhaupt zu machen.

Hier kommen wir zu einem weiteren, ganz wesentlichen Gebiet der musealen Arbeit. Die Ausstellungen zeigen oftmals nur einen Bruchteil dessen, was in den Magazinen der Museen aufbewahrt wird. Letztere sind deshalb durchaus mit einem Eisberg zu vergleichen, von dem auch nur ca. zehn Prozent über der Wasseroberfläche sichtbar ist. So beherbergt das Übersee-Museum in seinen Sammlungen über eine Million naturkundliche Objekte, von denen weniger als 10 000 ausgestellt sind. Diese Sammlungen wurden und werden jedoch nicht zum Selbstzweck angelegt und ebenso wenig, um diese ausschließlich für die Ausstellungsarbeit zu verwenden. Aber warum nun wurden bzw. werden diese scheinbar »verstaubten« Sammlungen angelegt und über Jahrhunderte erweitert? Warum müssen diese Sammlungen fortgesetzt und in die Zukunft getragen werden?

Die naturkundlichen Sammlungen der Welt dienen der Erfassung und Dokumentation des Lebens, mit deren Hilfe wir globale gesellschaftliche Fragestellungen

beantworten können. Fragen wie die nach den Folgen des Klimawandels, des globalen Flächenverbrauchs oder auch der Ausbringung von Pestiziden für die biologische Vielfalt, deren Teil wir sind. Diese Fragen lassen sich nur durch die Wissenschaft beantworten, oftmals aufbauend auf den naturkundlichen Sammlungen dieser Welt.

Um aber Veränderungen dokumentieren zu können, werden mindestens zwei Messpunkte benötigt. Einen in der Vergangenheit, der den damaligen Ist-Stand erfasst, und einen darauffolgenden, anhand dessen die Veränderung dokumentiert wird. Wenn wir also auch zukünftig bewerten wollen, wie sich die Welt verändert, dann müssen wir auch heute noch sammeln.

Der Anspruch, wissenschaftliche Thesen überprüfen zu können, verlangt es, die Rohdaten jener Arbeiten – in diesem Fall die gesammelten Organismen – in naturwissenschaftlichen Sammlungen aufzubewahren. Das ist gute wissenschaftliche Praxis.

Deshalb sammeln wir!

Hier setzt die Künstlerin Anja Schindler an. Auch sie sammelt. Ihr geht es allerdings nicht um ein wissenschaftliches Sammeln, sondern um ein formales Untersuchen, Unterstreichen und Verfremden naturkundlicher oder kulturgeschichtlicher Artefakte und Zusammenhänge, mit ästhetischen Resultaten.

Während ihrer Arbeit im Übersee- Museum in den letzten zwei Jahren begab sich Anja Schindler mit mir wochenweise auf Entdeckungsreise in die Magazine. Durch die zahlreichen Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, etwa zur Historie einzelner Objekte bzw. deren Konservierungsmethode, habe auch ich als Kurator viel über die Sammlungen des Museums dazugelernt. Beim Ö̈ffnen von Schränken, Kisten und Schubladen haben Anja Schindler und ich Objekte in die Hand genommen, an denen man im sonstigen Museumsalltag aus Zeitnot oftmals vorbeiläuft – die Vogeleiersammlung des Museums ist ein solches Beispiel.

Mit Anja Schindler zusammen habe ich mich immer wieder auf die Suche nach »verborgenen Schätzen« gemacht, um ihr diese zu zeigen und mich dabei oft an die eigene Motivation erinnert, Museumsbiologe zu werden. Gemeinsam haben wir handschriftliche Etiketten entziffert, die Ursprünge des Sammelns erörtert oder auch museale Traditionen hinterfragt. Denn die Sammlungen könnten ja auch ganz anders sortiert, auf- und ausgestellt werden.

Deshalb lagen die punktuellen künstlerischen Eingriffe im Schaumagazin Übermaxx, zusätzlich zu der räumlichen Installation im Kabinett des Haupthauses, geradezu auf der Hand. Bietet sich doch hier die Möglichkeit, Kunst direkt benachbart zur wissenschaftlichen Sammlung, quasi als Teil dieser zu zeigen. Die anfängliche Irritation des Besuchers ist gewollt. Denn erst durch den Bruch mit dem Herkömmlichen wird unsere Aufmerksamkeit gefordert und eine neue Perspektiven auf die Natur durch näheres Hinsehen und Vergleichen zugelassen.

Mit ihren Arbeiten regt Anja Schindler dazu an, nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Sammlungen unseres Museums genauestens zu betrachten, kennen zu lernen und Fragen zu stellen. Das ist für mich der gemeinsame Nenner von Anja Schindlers Kunst und meiner Arbeit als Kurator am Übersee-Museum: Die Begeisterung für die Wunder und Vielfalt der Natur und die Begeisterung für die Sammlungen eines Museums!

Dr. Volker Lohrmann, Sachgebietsleiter Entomologie am Übersee-Museum Bremen

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