Eine Reise in den Garten

Foto: RIGOGLIOSO II, 2023, Druckerschrank, Salz, Watte, pflanzliche Fundstücke

RIGOGLIOSO II, 2023, Druckerschrank, Salz, Watte, pflanzliche Fundstücke

Foto: HORTUS MIRABILIS, 2025, Rauminstallation

HORTUS MIRABILIS, 2025, Rauminstallation

Foto: HORTUS, 2023, Mischtechnik auf Holz, 70 x 100 cm

HORTUS, 2023, Mischtechnik auf Holz, 70 x 100 cm

Foto: PIANTA II, 2023, Mischtechnik auf Holz, 50 x 60 cm

PIANTA II, 2023, Mischtechnik auf Holz, 50 x 60 cm

Foto: PIANTA IV, 2023, Mischtechnik auf Holz, 50 x 60 cm

PIANTA IV, 2023, Mischtechnik auf Holz, 50 x 60 cm

Foto: PIANTA I, 2023,  Mischtechnik auf Hol, 50 x 60 cm

PIANTA I, 2023, Mischtechnik auf Hol, 50 x 60 cm

Über das Projekt

Eine Reise in den Garten

Bevor man die Installationen von Anja Schindler genauer ins Auge fasst, fällt zunächst die ungewöhnliche Farbigkeit ihrer Exponate auf. Diese sind samt der Schränke, Tische oder Regale in ein leuchtendes Cyanblau getaucht. Die Farbe Cyan liegt im Farbkreis genau zwischen Blau und Grün, also zwischen den Farben, mit denen Himmel und Erde dargestellt werden können. Blau ist in der christlichen Kunst seit dem Mittelalter mit dem Göttlichen verbunden und wurde gleichzeitig zu einem Symbol für königliche Erhabenheit und Größe. In der Natur findet man das helle Cyanblau je nach Lichtbrechung in Himmels- und Wasserflächen, im Kontext eines Herbariums hingegen nicht. Dies ist der nächste Eindruck beim Betrachten von Anja Schindlers Werken: Man fühlt sich in eine wissenschaftliche Schausammlung versetzt.

Die Künstlerin sammelt, trocknet und konserviert Naturmaterialien aus dem Pflanzenreich. In gläsernen Gefäßen schwimmen jedoch nicht nur Blätter, Samen, Früchte oder Gräser in farblosem Öl oder Alkohol, sondern auch Schriftstücke, auf denen gezeichnete Pflanzen und handschriftliche Anmerkungen zu sehen sind. So findet man zum Beispiel in kleinen Gläsern eingelegte Pfirsichkerne, nebeneinander aufgereiht wie Marmeladegläser in einem Kellerregal. Mit der Anordnung der Dinge assoziieren wir ein wissenschaftliches Kategorisieren und Archivieren, gleichzeitig veranlasst die ungewöhnliche Farbe der Exponate uns dazu, das Gesehene zu hinterfragen. Schindler verweist auf eine Natur, die durch ein systematisches Sammeln verstanden und bewertet wird, die Komplexität der natürlichen Lebensformen aber nicht erklärt, da es sich dabei um aus dem Zusammenhang gerissene Einzelbetrachtungen handelt. Das dokumentieren auch malerische Arbeiten der Künstlerin wie die Serie „Pianta“, deren in Cyanblau gezeichnete Pflanzen im ebenfalls ausgestellten Gartengrundriss „Hortus“ einen geeigneten Platz finden könnten.

Schindlers raumfüllende Installation „Rigoglioso II“ besteht aus einem alten Druckerschrank, in dessen Schubladen nicht mehr Lettern, sondern pflanzliche Materialien wie in Setzkästen präsentiert werden. Oben quellen ungeordnet Agapanthus-Blüten aus der Gattung der Schmuckliliengewächse an langen Stielen aus einer Wolke weißer Watte, die ein Eigenleben entwickelt haben und sich einer methodischen Einordnung widersetzen.

Die Farbe Blau, die ihr Werk so besonders macht, war in vorchristlicher Zeit und auch noch lange danach mit Traurigkeit verbunden. Den Malern der Romantik galt die „Blaue Blume“ als Sehnsuchtsbild für Ferne und Hoffnung. Heute verbindet man mit dieser Farbe oft auch Klarheit, Harmonie und Zufriedenheit. Sie ist nach einer Studie mit Abstand die Lieblingsfarbe der Menschen.

Über ihre Intention schreibt die Künstlerin: „Alles ist in Veränderung. Das Wechseln der momentanen Zustände ist Bestandteil jeder natürlichen Existenz. Sämtliche Lebensformen, wie Menschen, Tiere und Pflanzen sind der Veränderung unterworfen. Seit jeher versucht der Mensch durch die unterschiedlichsten Konservierungstechniken diesen Prozess aufzuhalten, sowohl zu wissenschaftlichen Zwecken als auch einfach zur Erinnerung oder im Glauben an eine Fortführung des Lebens im Jenseits.“

Ihr Werk thematisiert die Gegensätze von Natur und Kultur in der Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und bietet durch die Hervorhebung dieses Spannungsverhältnisses den Betrachtenden neue Sichtweisen an.

Dr. Sabine Heilig

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