KURIOSITÄTENKABINETT

Foto: LIBERTÀ, 2004, Vogelkäfige, Holz, Wachs, Dokumente

LIBERTÀ, 2004, Vogelkäfige, Holz, Wachs, Dokumente

Foto: KURIOSITÄTENKABINETT, Installationsansicht

KURIOSITÄTENKABINETT, Installationsansicht

Foto: KURIOSITÄTENKABINETT, Detail

KURIOSITÄTENKABINETT, Detail

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Foto: KURIOSITÄTENKABINETT, Installationsansicht

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Über das Projekt

Hier der Text über das Projekt...

Naturalia – Artificialia – Scientificia, Die Wunderkammern des Lebens

Das klare Himmelblau in den Werken Anja Schindlers ist ein Merkmal, das sich einprägt. Es ist die Haut aller Dinge und seine Frische lässt jede Gestalt lebendig erscheinen, auch wenn sie aus Zeiten auftaucht, die längst vergangen sind. Es ist die Vielfalt des Lebens, das Wunder dieser Welt, das die Künstlerin thematisiert, sowohl die der Natur in Flora und Fauna als auch die des Menschen in Schrift und Bild, die uns die Historie von Jahrhunderten erahnen lässt. Neugier auf Unbekanntes, Freude über Entdeckungen und Staunen über die unendliche Schöpfung sind Wesenszüge menschlicher Aktivität. Albert Einstein, dessen Forschung und logische Erklärung bis in kosmische Sphären hinausging, überrascht mit der Erkenntnis, dass das Schönste, was wir erleben können, das Geheimnisvolle sei. »Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer sich nicht mehr wundern, wer nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot« erklärt er überzeugend.

Sogenannte Wunderkammern voller Sammlungen in Schlössern und Museen sind Beweise dieser Leidenschaft. Eine der frühesten ist die des Herzogs Jean von Berry, der Naturalien, Kuriositäten und Handschriften sammelte. Die sächsischen Herzöge wiederum zeigen im Dresdner Grünen Gewölbe Handwerkskunst vom Feinsten aus königlichem Besitz. Die Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle aber diente im 18. Jahrhundert den Zöglingen als naturkundliches Unterrichtsmaterial, das Welterkenntnis und zugleich demütiges Staunen vor dem göttlichen Schöpfungswerk lehrte.

An diese Vorstellung knüpft Anja Schindler, wenn sie ihre Installationen als »Systemae Miraculorum« bezeichnet und sie nach den klassischen Kategorien Naturalia – Artificialia – Scientificia ordnet. Dabei spielt sie mit der Illusion eines Labors, in dem alle Teile ein Ensemble bilden, die sich letztlich aufeinander beziehen. Die himmelblaue Haut ihrer Fundstücke, hier zu Preziosen aufgewertet, verweist auf den inneren Zusammenhang des Schöpfungsprozesses und erhebt andererseits die Formenvielfalt des Sammelsuriums in das einheitliche ästhetische Klangbild, das ihre künstlerischen Installationen anstreben. Mit unendlicher Geduld färbt sie Samen und Reiskörner, Hülsenfrüchte und Granatäpfel, Lotosblüten, Bohnenschoten, Mohnkapseln, Fischskelett und den mumifizierten Frosch in einheitlich leuchtendes Blau, hängt Vorräte an altertümliche Geräte, konserviert nach traditioneller Art Vertrautes und Ungewöhnliches in gläsernen Behältnissen in goldgelbem Öl, versiegelt die Flaschen und Fläschchen mit blauem Siegellack, reiht sie in blauen Regalen und ordnet Geschriebenes, Gezeichnetes, Collagen und Wandobjekte dazu.

Aufmerksamkeit verdienen die feinen Federzeichnungen von Insekten, fragmentarisch in alten Büchern entdeckt, die in eigenen Variationen Schwerpunkte setzen, wissenschaftlichen Dokumenten Konkurrenz machen und das Naturalienkabinett glaubhaft vervollständigen. Virtuelles Lehrmaterial liegt auf einem Schülerpult, bereit zum Ergänzen optischer Entdeckungen. Texte in fremden Sprachen auf vergilbten Papieren bewahren Geheimnisse auch noch im konservierenden Ölgefäß. Die Natur, in ihrer Schönheit zerbrechlich und vergänglich, ist es wert, vorsichtig behütet zu werden und als geheimnisvolles Phänomen in einer Wunderkammer Platz zu nehmen. In einer Zeit, wo Arten aussterben und Klimaschutz zum warnenden Thema geworden sind, setzt Anja Schindler in ihrer Kunst subtil ein Zeichen für die Schönheit der vieldeutigen Strukturen des Lebens.

Marianne Winter, Kunsthistorikerin

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